Es sind gerade ganz besondere Tage in denen das Coronavirus SARS-CoV-2 die Welt verändert und diese Phrase ausnahmsweise noch nicht einmal pathetisch erscheint, sondern für jeden einzelnen sehr spürbar wird und ganz real ist. Während die einen recht gut im Homeoffice über die Runden kommen, sind andere möglicherweise in ihrer Existenz bedroht – finanziell oder sogar gesundheitlich. Die aquaristische Literatur, die uns in solchen Zeiten erreicht, kann für die einen eine willkommene Abwechslung und Beschäftigung in der Heimquarantäne sein und so mancher wird sein Zeitschriftenabo aktuell doppelt zu schätzen wissen. Andere haben vielleicht gerade jetzt überhaupt keinen Kopf dafür sich mit Fischen und Co. zu beschäftigen oder finden zwischen zwei Doppelschichten schlicht nicht einmal die Zeit.
Für all diejenigen, die sich nunmehr doch – oder aktuell umso mehr – für die Literatur begeistern können, legt die Aquarien- und Terrarienzeitschrift (DATZ) jetzt auch die erste Ausgabe dieses Jahres mit „fischigem“ Titelthema vor. Um ehrlich zu sein kann man allerdings bei der Auswahl schon etwas enttäuscht sein, denn es geht um … Buntbarsche. Diese Ausgabe soll daher Anlass sein, um einmal drei Kritikpunkte mit grundsätzlichem Einschlag an dieser inhaltlichen Ausrichtung zu äußern.
Als interessierter Aquarianer weiß ich insbesondere eng gefasste Titelthemen zu schätzen, die sich um einen speziellen Lebensraum drehen, die Fischfauna eines Landes näher beleuchten oder ein übersichtliches Taxon unter die Lupe nehmen. Aber nur „Buntbarsche“ ist mir – noch dazu bei einer derart großen Fischgruppe von fast 2000 Arten – entschieden zu allgemein gefasst. Als positives Beispiel für ein gelungenes Themenheft fällt mir sofort die Ausgabe zum Schwarzwasser (02/2014) ein, die mit fünf Artikeln zum Titelthema aufwartet. Auch die Ausgabe zum Lebendfutter (10/2015), mit vier Beiträgen zu diesem Thema, habe ich besonders gerne gelesen. Oder das faszinierende Heft über die Fische des Nahen Ostens (11/2013), wo in gleich sechs Artikeln aquaristisch teils völlig neue und unbekannte Fische und Lebensräume vorgestellt wurden.
Dort setzt auch schon der zweite Kritikpunkt an, nämlich beim Umfang. Denn zu einem inhaltlichen Schwerpunkt erwartet man eigentlich mehr als nur zwei Beiträge zum Thema, wie es im vorliegenden Heft der Fall ist. Es darf also ruhig ein bisschen mehr sein. Möglicherweise kommen dann gerade Aquarianer, die sich überhaupt nicht für dieses Thema interessieren nicht auf ihre Kosten, aber für die gibt es ja schließlich noch den restlichen Teil des Heftes, wo dann mit etwas Glück was dabei ist. Und zur Not kann man sich vielleicht vereinzelt auch mal damit anfreunden, dass nicht in jeder Ausgabe der eigene Interessenschwerpunkt wiederzufinden ist.
Ein dritter Kritikpunkt sind die Barsche und die DATZ. Das ist immer wieder so eine (schwierige) Sache. Nun ist es kein Geheimnis, dass der langjährige Redaktionsleiter Rainer Stawikowski ein ausgemachter Barschliebhaber ist und es ihm vor allem die Arten aus Mittel- und Südamerika angetan haben. Auch Stammautor und „Schreibmaschine“ Uwe Werner begeistert sich bekanntermaßen für lateinamerikanische Groß- oder ostafrikanische Zwergcichliden. Es ist also nur allzu nachvollziehbar, dass sich diese persönlichen Vorlieben bisher auch inhaltlich in der Heftgestaltung niedergeschlagen haben. Aber nur mal für die Statistikfreunde unter uns: alleine im vergangenen Jahr waren dreimal Fische auf dem Cover der DATZ zu sehen, zweimal waren es Buntbarsche. 2016 war scheinbar sogar das „Superbarschjahr“ und auf fünf von zwölf ausgaben waren Barsche zu sehen. Perch overload.
Und nicht nur, dass das Thema „Buntbarsche“ selbst vor gar nicht allzu langer Zeit schon einmal im Fokus stand (12/2017), sondern in den letzten Jahren gab es Barsche in allen erdenklichen Ausprägungen in der DATZ. Da waren Barsche in blau (05/2018) und Barsche in bunt (05/2014 & 12/2017). Barsche aus Afrika (11/2018), Barsche aus Uruguay (05/2017), Barsche aus dem Malawisee (01/2016). Barsche in klein (12/2012, 03/2015, 08/2016 & 11/2016) und in groß (04/2016 & 02/2019). Barsche in flach (07/2012) und in hoch (12/2014). Barsche hier, Barsche da – kurzum: Barsche satt. Und hier sprechen wir wohlgemerkt nur von den Titelthemen …!
Gerade hier erhoffe ich mir eigentlich von Sebastian Wolf als neuem Chefredakteur auch neue Akzente und eine etwas ausgewogenere Themensetzung. Und die Autoren der aktuellen Barschlektüre in der DATZ mögen es mir nachsehen, wenn die Besprechung ihrer Beiträge nun auf Kosten dieser Grundsatzkritik entfällt auch wenn ihnen und ihren Mühen damit sicher Unrecht getan ist. Aber mein Barschbedarf ist gerade echt gedeckt …
Heimliches Titelthema dieser April-Ausgabe sind aber zum Glück Paludarien mit ebenfalls zwei Beiträgen. Philosophisch kann man dieses Beckenkonzept verschiedentlich begreifen, etwa als Mischform zwischen Aquaristik und Terraristik oder als Facette der Biotopaquaristik, die nicht nur den Lebensraum unter Wasser, sondern auch an seinen Landgrenzen miteinschließt. Ein solches Beispiel zeigt der Beitrag von Ben Mahlmann auf. Der Autor stellt ein Paludarium vor, welches einen Abschnitt eines vietnamesischen Baches nachempfindet und zu Wasser mit Flossensaugern und Dornaugen sowie an Land mit Wasserskinken besetzt ist. Sehr innovativ sind dabei die dahinterstehenden technischen Konstruktionen, die nicht nur mit fancy Bezeichnungen vom Autor versehen sind, sondern deren Konstruktion schon eher an ein Hydroingenieurseminar als an die übliche Aquarienbastelei erinnern. Auch über Ameisen lernt man übrigens eine Menge in dem Artikel. Warum man allerdings bei der Bebilderung selbst bei einem so gewöhnlichen Fisch, wie einem stinknormalen Dornauge auf ein Stockfoto zurückgreifen muss, bleibt mir unbegreiflich. Durchgehend mit eigenen Fotos ausgestattet, ist dagegen ein weiterer Paludarienbeitrag der von Matthew Schwartz aus den USA kommt. Hier finden Pflanzenfreunde sicherlich etwas für sich, wenngleich mich seine tier- und noch vielmehr fischarmen Installationen eher an üppig begrünte Zimmerspringbrunnen oder etwas fürs Yogastudio oder den Eingangsbereich einer Zahnarztpraxis erinnern. Aber Geschmäcker sind ja bekanntlich verschieden.
Auch die Garnelenliebhaber kommen nicht zu kurz in dieser Ausgabe und haben Gelegenheit mit einem Beitrag über die Erfahrungen des Chefredakteurs ihr Wissen zu erweitern. Dabei stehen Großarmgarnelen der Gattung Macrobrachium im Fokus. Wer hier auch einmal tiefer in die wissenschaftliche Literatur der Gattung einsteigt, wird schnell feststellen, dass es unerwartet viele Arten gibt und die Aquaristik tatsächlich nur einen winzigen Bruchteil bisher in den Blick genommen hat. Einen Vorgeschmack auf den vorhandenen Artenreichtum bietet die Wikipedia. Na, von welchen dieser Arten haben Sie schon mal gehört? Eben. Aquaristische Fachliteratur ist also rar gesät. Zwar gibt es hin und wieder Importmeldungen und Kurzvorstellungen, ausführliche Artenportraits finden sich dagegen fast nur über eine Hand voll etablierter Arten. Der gut recherchierte und ebenso bebilderte Artikel von Sebastian Wolf ist deshalb definifiv eine Bereicherung der Literatur auf diesem Gebiet.
Es gäbe noch manches zu sagen über diese Ausgabe, zum Beispiel über den Meerwasserbeitrag des „Althasen“ Werner Baumeister, dem sicherlich nicht nur die Nemo-Freunde zugeneigt sein werden. An dieser Stelle will ich es dabei aber bewenden lassen und hoffe, dass sie alle gut – und vielleicht ja sogar noch besser als sonst – durch die kommenden und ganz besonderen Wochen kommen. Bleiben Sie gesund und machen Sie das Beste draus!
Die aktuelle Ausgabe ist hier zu finden.
Rezensent: Ole Arnold Schneider