Wer an Artenschutz denkt, hat oft Bilder tropischer Regenwälder im Kopf. Doch der Schutz gefährdeter Arten beginnt oft viel näher – im heimischen Aquarium. Wie groß der Beitrag der Aquaristik sein kann, zeigte die 5. Tagung zur Arterhaltung im Aquarium, die am 5. und 6. Juli 2025 im Hotel Sonnenhof in Thannhausen im Allgäu stattfand. Bereits zum fünften Mal hatten der VDA und die Deutsche Cichliden-Gesellschaft (DCG) gemeinsam und gleichberechtigt zur zweitägigen Fachveranstaltung eingeladen und sie organisatorisch, personell wie finanziell auf die Beine gestellt. Das diesjährige Motto: „Arterhaltung kommt in Fahrt!“
Ein Treffpunkt für alle
Die Tagung richtete sich an alle, die sich für aquaristische Erhaltungszucht interessieren. Besonders wertvoll war der persönliche Austausch: Deutschland, Österreich und die Schweiz waren mit vielen Teilnehmenden vertreten, was die Veranstaltung zu einem echten Treffpunkt des deutschsprachigen Aquaristik-Netzwerks machte. Die Stimmung war entsprechend lebendig: Es wurde diskutiert, gefachsimpelt, gelacht und vor allem gemeinsam an Lösungen für die Zukunft gearbeitet.
Madagaskar-Cichliden im Fokus
Thomas Finka und Dr. Guido Kirsten widmeten im ersten Vortrag sich den bedrohten Cichliden Madagaskars. Sie beleuchteten die herausragende Rolle der Insel in der Süßwasserfauna und schilderten komplexe biologische und züchterische Fragen wie das Linne-Darwin- oder Offenbrüter-Problem. Mit ihren persönlichen Erfahrungen in der Zuchtarbeit zeigten sie, wie wichtig private Bestände für den Erhalt bedrohter Arten sind.
Herz und Hirn in der Arterhaltung
Einen sehr persönlichen Vortrag hielt Mgr. Markéta Rejlková vom Zoo Ostrava. Unter dem Titel „Arterhaltung – Herz versus Hirn“ sprach sie über die notwendige Balance zwischen Leidenschaft und rationaler Planung, um Arterhaltungsprojekte langfristig erfolgreich zu gestalten. Ihre Arbeit mit bedrohten Poeciliiden und die Verbindung von Zoos und Aquarianern dienten dabei als eindrucksvolles Beispiel.
Reise nach Nordmexiko
Christian und Xaver Hofer nahmen die Teilnehmenden mit in die Lebensräume Nordmexikos. Sie berichteten von jahrzehntelangen Reisen und Forschungserfahrungen und stellten seltene Cichlidenarten vor, die nur in isolierten Biotopen wie Cuatro Ciénegas vorkommen. Ihr Vortrag war geprägt von tiefer Verbundenheit zur Region und von eindringlichen Bildern, die den Wert dieser einzigartigen Ökosysteme verdeutlichten.
Seltene Lebendgebärende im Aquarienclub Braunschweig
Lawrence Kemnitz stellte die Arbeit des Aquarienclubs Braunschweig vor, der sich gezielt um den Erhalt seltener lebendgebärender Fische bemüht. Besonders spannend war sein Einblick in die digitale Bestandsverwaltung über die Plattform Aqua-Unity. Sein Vortrag verband Technik, Leidenschaft und Nachhaltigkeit und zeigte, wie moderne Werkzeuge die Erhaltungsarbeit voranbringen können.
Arterhaltung im Museum
Dr. Thomas Lübcke gewährte Einblicke in die Arterhaltungsarbeit am Senckenberg Museum für Naturkunde Görlitz. Er stellte den neu eingerichteten Zuchtraum für bedrohte Arten vor und erklärte, wie Forschung, Zucht und Öffentlichkeitsarbeit Hand in Hand gehen. Museen werden so zu aktiven Orten der Biodiversitätserhaltung – weit mehr als reine Ausstellungsflächen.
Digitale Werkzeuge aus Mexiko
Live aus Mexiko zugeschaltet war Carsten Weile, der den praktischen Nutzen digitaler Plattformen für den Artenschutz vorstellte. Am Beispiel von Aqua-Unity zeigte er, wie Zuchtgruppen weltweit Daten austauschen, Stammbäume führen und Projekte koordinieren können. Sein Vortrag machte deutlich, dass digitale Vernetzung heute ein entscheidender Baustein erfolgreicher Arterhaltung ist.
Vom Zoo zur Naturschutzorganisation
Einen visionären Einblick bot Dr. Holger Kraus, Kurator am Zoo Zürich. Er zeigte, wie sich der Zoo auf dem Weg zum „Zoo der Zukunft“ befindet – mit ehrgeizigen Zielen bis 2050, klaren Naturschutzstrategien und dem One Plan Approach, der Schutz in der Wildbahn mit Zuchtarbeit unter menschlicher Obhut verbindet.
Verantwortung im Haus des Meeres
Mag. Jeff Schreiner, Zootierarzt und Kurator im Haus des Meeres in Wien, brachte Tierwohl, Tierschutz und Artenschutz in Zusammenhang und machte deutlich, dass diese Begriffe nicht gleichzusetzen sind. Er sprach über internationale Erfahrungen, Auswilderungsprojekte und moderne Methoden wie Kryokonservierung – und zeigte, wie breit das Spektrum der Erhaltungsarbeit gefasst werden muss.
Strategien im Zoo Leipzig
MSc Ariel Jacken stellte die Arterhaltungsarbeit im Zoo Leipzig vor. Seine Schilderungen zu Species Champions, langfristigem Commitment und personeller Kontinuität unterstrichen, wie wichtig Ausdauer und klare Strukturen für erfolgreiche Programme sind. Besonders betonte er die Bedeutung positiver Kommunikation, um Menschen für den Artenschutz zu begeistern.
Neue Forschungsstation in Schönbrunn
Mag. Toni Weissenbacher präsentierte die neue Aqua-Forschungsstation im Tiergarten Schönbrunn. Modernste Technik und innovative Methoden wie künstliche Besamung bieten dort neue Möglichkeiten für die Arterhaltung seltener Süßwasserfische. Besonders eindrucksvoll war das Beispiel des Hundsfischs, das zeigte, wie Forschung und Zuchtarbeit Hand in Hand gehen.
Rechtliche Rahmenbedingungen
Den Abschluss machte Kathrin Glaw mit einem fundierten Überblick über aktuelle rechtliche Entwicklungen. Sie sprach über Positivlisten, die Wiener Leitlinien und deren Folgen für Aquarianerinnen und Aquarianer und gab einen Ausblick auf politische Herausforderungen, die die Zukunft der Aquaristik entscheidend beeinflussen werden.
Ein starkes Signal für die Aquaristik
Neben den Vorträgen war der persönliche Austausch in Thannhausen von großer Bedeutung. In Gesprächen und Diskussionen wurde deutlich, wie breit und engagiert die Aquaristik zum Erhalt der Artenvielfalt beiträgt. Die Veranstaltung war ein gemeinsamer Erfolg von VDA und DCG, die beide gleichermaßen Verantwortung übernommen und gezeigt haben, dass Kooperation und geteilte Arbeit die Basis für nachhaltige Artenschutzprojekte sind. VDA-Präsident Jens Crueger betonte: „Es ist wichtig, dass im Thema Arterhaltung alle an einem Strang ziehen. Noch immer ist viel zu unbekannt, welchen großen Anteil die Aquaristik am Erhalt bedrohter Arten auf unserem Planeten hat.“
Vorträge auf YouTube verfügbar
Wer nicht live dabei sein konnte, erhält die Gelegenheit, die Tagung nachzuerleben: Die Vorträge werden sukzessive auf dem offiziellen YouTube-Kanal des VDA veröffentlicht. Jens Crueger: „Die fünfte Arterhaltungstagung hat eindrucksvoll gezeigt, dass die Aquaristik eine unverzichtbare Rolle im globalen Artenschutz spielt. Sie bewies zugleich, dass das Zusammenspiel von Herzblut, Fachwissen und internationaler Zusammenarbeit die Grundlage ist, um Artenvielfalt für kommende Generationen zu bewahren.“