PD Dr. rer. nat. Guido Westhoff ist Zoologe und Neurobiologe und bereits seit seiner Kindheit von Schlangen fasziniert. Er beschäftigte sich schon lange privat mit Schlangen, bevor er sich im Studium und später als Mitarbeiter der Universität Bonn ausgiebig mit der Erforschung ihrer Sinnesleistung und der Nutzung ihrer Haut-Eigenschaften für die Bionik beschäftigte. Seit 2009 ist er Leiter des Tropen-Aquariums im Tierpark Hagenbeck. Dr. Westhoff ist seit 1986 Mitglied in der DGHT und ist für den Verband als Gefahrentierausbilder in Hamburg tätig. Außerdem ist er Präsident vom Serum-Depot Berlin / EUROPE e. V.. Anlässlich des Weltschlangentages sprachen wir mit Dr. Westhoff über die Haltung von Giftschlangen.
Wie sind Sie zu ihrer ersten Schlange gekommen?
Ich fand Schlangen schon immer extrem elegant und war schon als Kind von den Tieren begeistert. Die flüssigen Bewegungen beim Schlängeln haben mich fasziniert und ich wollte das den ganzen Tag anschauen. Aber meine Mutter hatte kein Verständnis für meine Begeisterung und erlaubte mir lange keine Schlangen zu halten. Also pflegte ich zuerst Eidechsen. Irgendwann brachte ich dann eine Blindschleiche mit nach Hause und erklärte meine Mutter, dass das ja gar keine Schlange sei, sondern eine fusslose Eidechse und dass die genau wie meine anderen Eidechsen nur Insekten und Würmer frisst. Von meiner Tante bekam ich dann meine erste echte Schlange – eine Strumpfbandnatter. Da die außer Insekten und Würmern nur Fische frisst, aber keine Mäuse, akzeptierte meine Mutter letztendlich auch dieses Tier.
Halten Sie Giftschlangen?
Privat habe ich Haus keine Giftschlangen mehr, weil wir drei Kinder haben und im Moment im Umzugsstress sind. Meine Schlangen sind inzwischen alle im Tierpark untergebracht. Wenn der Einzug und die Renovierung angeschlossen sind, dann soll es im Keller aber wieder einen abgeschlossen Raum für die Giftschlangen geben.
Haben Sie eine Lieblingsschlange?
Nein. Ich habe über die Jahre sehr viele verschiedene Arten gepflegt. Ich habe immer die Tiere gehalten, die mein Herz erwärmt haben. Darunter waren zum Beispiel Greifschwanz-Lanzenottern, die Rote Spei-Kobra und der Grüne Baumpython. Ich könnte jetzt eine ellenlange Liste aufzählen. Es ist die Vielfalt, die mich fasziniert. In meinen guten Zeiten habe ich in meinem privaten Terrarienraum 80 Tiere gehabt.
Wenn Sie so viele Tiere hatten, haben sie dann auch Futtertiere gezüchtet?
Als Schüler habe ich das gemacht. Ich habe Mäuse gezüchtet. Heute mache ich das nicht mehr. Ich beziehe zum Füttern tote Mäuse. Ich füttere nur tote Tiere. Nur die wenigsten Schlangen brauchen wirklich lebende Beute. Es gefällt mir nicht, wenn ich sehe, dass Manche Spaß dabei haben, wenn sie zusehen, wie die Maus im Terrarium von der Schlange attackiert wird. Das hat nichts mit Natur zu tun. Die Maus hat im Terrarium keine Chance. Das muss nicht sein.
Sie sind Präsident vom Serum-Depot Berlin / EUROPE. Was ist das für ein Verein?
Das Serum Depot ist seit 1982 ein eingetragener Verein von privaten Giftschlangenhaltern. Es sind aber auch einige Zoos Mitglied, wie z. B. der Münchner Tierpark Hellabrunn und die Wilhelma in Stuttgart. Der Verein kümmert sich um den Einkauf und die Lagerung von Gegengiften, sogenannten Antiveninen, damit diese im Notfall zur Verfügung stehen.
Gegengifte haben in Deutschland keine Medikamenten-Zulassung und müssen darum bei internationalen Apotheken bestellt werden. Das würde zu lange dauern, wenn ein Notfall eingetreten ist. Darum kaufen wir die Seren von den Mitgliedsbeiträgen vorsorglich ein und verteilen sie auf Krankenhäuser, wo sie dann gekühlt gelagert werden. Solche Serum-Depots gibt es in München, Homburg, Düsseldorf und Quedlinburg. Die Verteilung erfolgt in Abhängigkeit von der Art und Zahl der Giftschlangen, die unsere Mitglieder in den verschiedenen Regionen Deutschlands halten.
Eine Initialdosis kostet zwischen 1000 und 5000 € und wir sind für die Finanzierung auf die Beiträge unserer Mitglieder angewiesen.
Was passiert, wenn ein Halter von seiner Schlange gebissen wird?
Wir haben Notfallnummern, über die immer Fachleute erreichbar sind. Sie wissen, wie die Schlangenbisse zu behandeln sind und können ein Krankenhaus und auch einen fachkundigen Arzt in der Nähe nennen. Nicht viele Mediziner wissen wie sie Schlangenbisse behandeln müssen. Das Krankenhaus ruft dann die Gegengifte aus dem nächsten Depot ab. Die Krankenkasse übernimmt dann die Kosten für die Behandlung und das Serum, wovon wir das Serum ersetzen können.
In solchen Fällen kaufen Sie dann Ersatz für den Verein ein?
Ja, aber auch, wenn das Haltbarkeitsdatum des Serums abläuft. Ärzte dürfen keine abgelaufenen Medikamente einsetzen. Darum müssen wir die Antivenine je nach Art alle 3 bis 5 Jahre gegen frische austauschen.
Wie oft kommen Bissunfälle mit Schlangen vor?
Das kann ich nicht sicher sagen. Nicht jeder Biss in Deutschland wird uns gemeldet. Aber das Tropeninstitut am Uniklinikum Eppendorf (UKE) behandelt im Schnitt im Jahr etwa 10 Schlangenbisse. 6 bis 7 davon sind Bisse von exotischen Giftschlangen bei privaten Haltern, die restlichen waren Kreuzottern. Dann gibt es manchmal Unfälle in Zuchtfarmen oder Einrichtungen, in denen Schlangengifte für medizinische Zwecke gewonnen werden. Ich kann mich nicht erinnern, dass es in den letzten 10 Jahren Bissunfälle in Zoos gab.
Am häufigsten werden demnach Hobby-Halter gebissen. Würden Sie dann sagen, dass die private Haltung von Giftschlangen zu gefährlich ist?
Nein, die Haltung ist nicht zu gefährlich aber sie benötigt Sachkunde und Umsicht. Ich habe jetzt seit 31 Jahren Giftschlangen und habe auch während des Studiums und bei meiner wissenschaftlichen Arbeit ständig mit den Tieren gearbeitet und ich bin nie gebissen worden.
Ich bin selber Gefahrtierausbilder der DGHT in Hamburg. Ich bin absolut dafür, dass die Haltung von Giftschlangen mit nachgewiesener Sachkunde möglich ist. Verbote führen nur dazu, dass die Haltung im Verborgenen stattfindet und die Leute werden dadurch kriminalisiert. Und das halte ich für den absolut falschen Weg.
Es gibt aber Bundesländer, in denen die Haltung von Giftschlangen verboten ist.
Hamburg gehört zu den Bundesländern, in denen die Haltung von Gefahrtieren verboten ist. Aber eine Haltungserlaubnis ist recht gut zu bekommen. Man muss seinen Bestand melden, Sachkunde nachweisen und ein paar Bedingungen erfüllen. In Schleswig-Holstein ist die Haltung komplett verboten, eine Ausnahmegenehmigung ist dort kaum zu bekommen.
Warum ist das so?
Die Umsetzung der Gefahrentierverordnung ist Ländersache. Die erheben zum Teil den Anspruch, dass auch die Halter selbst geschützt werden müssen. Das ist aber Unsinn. Wenn ich Giftschlangen halte, dann hängt meine Sicherheit allein von meiner Aufmerksamkeit ab, während ich im Straßenverkehr z. B. auch durch die Unachtsamkeit anderer in Gefahr gerate. Mit der Argumentation von Selbstschutz und Fremdschutz, müsste jedes Motorrad verboten werden.
Glücklicherweise konnte der Tierpark Hagenbeck als Berater hier in Hamburg bei der Erarbeitung des Gesetzes mitwirken. So konnten wir zum Beispiel ein generelles Verbot von Giftfischen vermeiden. Die Pläne hier gingen ursprünglich so weit, dass auch Leguane und kleine Pythons auf die Liste der Gefahrentiere sollten, weil sie einen Menschen mit dem Schwanz schlagen oder beißen können. Die daraus entstehenden Verletzungen, sind aber nicht schlimmer als die die eine Katze durch Kratzen oder Beißen verursacht. Von einem Hund oder eine Katze gebissen zu werden, gehört bei uns doch zum allgemeinen Lebensrisiko. Wir haben es geschafft, dass nur Tiere auf die Gefahrentierliste gesetzt wurden, die gefährlichere Verletzungen verursachen, als eine Katze auf einem Bauernhof.
Die Öffentlichkeit nimmt exotische Tiere wie Echsen und Schlangen aber scheinbar grundsätzlich als Gefahr war. Woran liegt das?
Das Naturverständnis und die Kenntnis sind allgemein zu gering. In den Sommermonaten gibt es keinen Tag, an dem nicht ein E-Mail kommt mit einer Ringelnatter im Garten und der Frage, was das für Tiere sind. Hier ist der Bildungsauftrag der Zoos wichtig. Die Kinder und Jugendlichen sind heute viel mehr mit ihren elektronischen Medien beschäftigt und nicht mehr in der Natur. Je naturentfernter unsere Gesellschaft lebt, desto eher wird alles verteufelt, was kein Nutztier oder Haustier ist. Die angebliche Gefahr ist dabei nur eine Ausrede, Unfälle mit unbeteiligten Dritten sind aus den letzten Jahrzehnten fast nicht existent.
Vielen Dank für das Gespräch.