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Interview mit Christin Kern zum Welt-Schildkrötentag

Lesezeit: 7 Minuten

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Christin Kern betreibt seit vielen Jahren im Norden von Stuttgart eine Auffangstation für Landschildkröten. Derzeit werden in der Station mehr als 70 Tiere betreut. In der Hauptsache leben in der Auffangstation Griechische Landschildkröten, Maurische Landschildkröten, Breitrandschildkröten, Pantherschildkröten, Köhlerschildkröten, Indische Sternschildkröten, Spornschildkröten und Russische Landschildkröten.

Sie macht eingehende Beratungen über die Lebensansprüche der verschiedenen Arten und führt Besucher durch die Auffangstation. Frau Kern betreibt die Internetseite http://landschildkroeten-stuttgart.de. Dort stellt sie die Auffangstation vor und gibt wichtige Informationen zur Haltung von Landschildkröten. Schildkrötenfreunde können dort auch ihren kostenlosen Newsletter abonnieren, über den sie regelmäßigen Informationen an Interessenten oder Halter schickt. Zusätzlich berät sie mit Infoständen auf Messen, initiierte einen Schildkrötentag, den Tag der offenen Tür, organisiert einen Schildkröten-Stammtisch und hält Vorträge.

Woher hatten Sie Ihre erste Schildkröte?

Die erste Landschildkröte bekam ich im Alter von 5 Jahren von meinen Eltern. Damals wurden Tiere wie meine erste Griechische Landschildkröte noch in der Zooabteilung von Breuninger in Stuttgart verkauft. In meinem Elternhaus lebten immer viele Tiere am Haus und auf einem großen Grundstück. Darunter auch Wildtiere, die aufgepäppelt wurden. Meine Eltern brachten mir von der frühsten Kindheit an bei, verantwortungsvoll mit Tieren umzugehen und sie zu respektieren.

Sie betreiben eine Auffangstation für Landschildkröten. Haben Sie zusätzlich noch eigene Schildkröten?

Ich habe mehr als 20 eigene Landschildkröten, diverse Arten, die ihren Ansprüchen entsprechend ebenfalls in der Auffangstation leben.

Schildkröten und andere Reptilien werden oft in der Öffentlichkeit als Exoten dargestellt, die auf Dauer schwer zu halten sind und dann von überforderten Haltern abgegeben werden. Gibt es für Sie als Betreiberin einer Auffangstation für Landschildkröten etwas, dass Sie zum Anlass des Welt-Schildkrötentages zu dem Thema gerne sagen möchten?

Mein Credo ist immer „Keine Verbote, sondern Sachkunde“. Das wichtigste ist, dass Interessierte sich vor der Anschaffung über die Haltung und Pflege der Tiere informieren. Welche Ansprüche hat das Tier an Gehege, Unterbringung und Ernährung? Wie hoch ist die Lebenserwartung? Wie kann ich die Tiere richtig überwintern? Wie werden Urlaubsfragen und Tierarztbesuche gelöst. Jeder potentielle Halter muss sich fragen, ob er den Ansprüchen der Tiere gerecht werden kann.

Woher bekommt ein Interessent fundierte Informationen über die Haltung von Landschildkröten?

Auffangstationen sind eine Anlaufstelle. Aber auch Züchter, bei denen Tiere erworben werden sind verpflichtet, vor Kauf ausreichend zu informieren. Vor Ort können sich Besucher ausgewachsene Tiere in optimal eingerichteten Gehege ansehen, werden zu den einzelnen Arten intensiv beraten. Einschlägige Fachliteratur unterstützt das Wissen und die Kenntnis über Schildkröten enorm.

Da es aufgrund des zu erwartenden Alters viele Second-Hand-Schildkröten in Deutschland gibt, findet man diese Tiere vermehrt in Tierheimen und Auffangstationen. Somit gilt die Überlegung, ob man nicht ein Tier erwirbt, dass ohnehin bereits existiert und dringend eine neue Unterkunft sucht.

Jeder freiwerdende Platz wird in den Auffangstationen dringend für neue Anwärter benötigt.

Halten Sie die Nachzucht von Landschildkröten in Deutschland für überflüssig?

Nein. Nachzuchten sind vor allem bei Arten, die stark in ihrer Existenz bedroht sind wichtig. Diese sind aber vor allem für Spezialisten interessant, die für den Arterhalt sorgen.

Von den typischen Arten, die in Deutschland als „Haustier“ gepflegt werden ist dann vom Kauf abzuraten, wenn es sich nicht um Züchter, sondern um die sogenannten „Vermehrer“ handelt. Meist nicht gemeldet und registriert, wird alles bebrütet, was nach Ei ausschaut und dementsprechend ohne Sachkunde gehalten und vermarktet. Diesen Vorsatz kann ich nicht unterstützen.

Worin sehen Sie die größten Probleme bei der Haltung von Landschildkröten?

Den Schildkröten sieht man es meist nicht an, wenn es ihnen schlecht geht. Und schlechte Haltung verkürzt ihre Lebenserwartung. Leberschäden, Nierenbeschwerden oder Rheuma kann man dem Tier nicht ansehen und die Bereitschaft für eine Schildkröte Geld auszugeben ist bisweilen leider auch heute noch gering. Tierhalter gehen nicht mit einem optisch gesund wirkenden Tier zum Tierarzt und lassen Untersuchungen und Bluttests machen, die Krankheiten aufdecken würden.

Krankheiten, die untereinander verbreitet werden, können nur mittels Blut- oder anderen Tests festgestellt werden. Strikte Quarantäne sollte unbedingt bei Neuzugängen eingehalten werden.

Was ist Ihrer Meinung nach das wichtigste, was bei der Haltung von Landschildkröten beachtet werden muss?

Das Gehege muss den Ansprüchen der Tiere gerecht werden. Für wechselwarme Tiere wie Schildkröten ist es in unseren Breiten nicht nur im Frühjahr zu kalt. Sie benötigen auch an kühlen Tagen im Sommer die Wärme, damit ihr Stoffwechsel in Gang gesetzt wird. Darum benötigen Landschildkröten unbedingt ein UV-durchlässiges Frühbeet als Unterschlupf. Sie können sich dort aufhalten, sich aufwärmen und bekommen gleichzeitig das für sie lebensnotwendige UV-Licht. Landschildkröten sonnen sich deutlich weniger, als allgemein vernutet wird. Sie sonnen sich am Vormittag für etwa 20 bis 30 Minuten und regen so ihre Vitamin D-Produktion an, danach wandern sie auf Nahrungssuche durch das Gehege. Sie mögen Höhlen und verstecken sich auch unter niedrigen Büschen und mediterranen Pflanzen wie Lavendel und Thymian.

Auf was muss ein Halter bei der Ernährung von Landschildkröten achten?

Grundsätzlich benötigen Landschildkröten ein hohes Maß an Rohfaser. Obst, Salat und Gemüse sind als Futter nicht geeignet. Die Tiere werden am besten mit frischen und getrockneten Wildkräutern ernährt, die man in der Natur sammeln oder selbst mit Hilfe von speziellen Saatmischung für Schildkröten aussäen kann. Ein gutes Futter sind zum Beispiel Malven, Disteln, Brennnesseln, Wegerich, Klee, Löwenzahn, Malve, Wicken, Löwenzahn und Esparsette. Wichtig ist, dass den Tieren immer mehrere Kräuter zur Auswahl angeboten werden. Manchmal fressen sie mehr von der einen Sorte und dann wieder von einer anderen. Abwechslung ist geboten. So werden sie ausgewogen ernährt und bekommen genug Mineralien und Vitamine. Zusätzlich füttere ich mit Kräuter- und Heupellets, die die wichtigen Rohfasern enthalten, aber zusätzlich auch Mineralien liefern. Fastentage sind sehr wichtig. Frei und stets verfügbare Gritsteine, Sepia- und Eierschalen decken zusätzlich den Bedarf an Mineralien. Die Zusammensetzung der Böden in den natürlichen Habitaten der Schildkröten ist anders als bei uns. Entsprechend ist auch die Zusammensetzung der Mineralstoffe in den Pflanzen eine andere. Durch das Zufüttern mit speziellen Pellets kann das Nahrungsspektrum erweitert und Mangelerscheinungen ausgeglichen werden. Die Ansprüche der verschiedenen Arten an das Futter sind unterschiedlich. Steppenarten wie die Russische Landschildkröten fressen zum Beispiel mehr Gräser und Rohfaser als andere Landschildkröten aus subtropisch oder gar tropischen Regionen. Einige exotische, südamerikanische Arten ernähren sich in der Natur gelegentlich auch mit Fleisch oder Fisch. Das muss bei ihrer Ernährung berücksichtigt werden.

Was ist Ihr Ansatz, um die Halter über die sachkundige Pflege aufzuklären?

Ganz wichtig ist, dass die Halter Informationen und Tipps zur Verbesserung der Haltungsbedingungen bekommen, ohne dass sie kritisiert oder angegriffen werden. Das Wissen um die Tiere ist in den vergangenen Jahren größer geworden und viele Halter, die seit Jahrzehnten Schildkröten halten, sind sich nicht bewusst, dass sie etwas falsch machen. Oft werden Tiere auch von den Eltern übernommen und die neuen Halter wissen es einfach nicht besser.

Einen besonderen Stellenwert gilt auch der Arbeit mit Kindern in Schulen und Kindergärten. Es ist notwendig das Verständnis der nächsten Generation für die Bedürfnisse von Tieren und der Natur zu entwickeln.

Vielen Dank für das informative Gespräch.

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