Das ehemalige Berliner Aquarium, eröffnet am 11. Mai 1869, war weit mehr als nur eine Attraktion im Herzen des alten Berlins. Unweit des Brandenburger Tors gelegen, Ecke Unter den Linden und Schadowstraße, bot es eine beeindruckende Welt exotischer Tiere und faszinierender Architektur und zog Besucher aus allen Gesellschaftsschichten an. Die Idee zu diesem besonderen Ort entsprang der fortschrittlichen Vision des berühmten Zoologen Alfred Edmund Brehm, der das Aquarium mit dem Ziel gründete, die Bevölkerung durch Naturerlebnisse zu bilden.
Die Gründung des Aquariums
Alfred Edmund Brehm, ein renommierter Zoologe und Autor, zog 1867 nach Berlin mit der Vision, ein einzigartiges Aquarium zu schaffen. Unterstützt von dem Kaufmann E. Stahlschmidt und anderen einflussreichen Persönlichkeiten, formte er eine Gesellschaft, die genügend Kapital aufbringen konnte. Die Gründung erfolgte in Form einer Commanditgesellschaft, und bald waren die Aktien vollständig verkauft. Ziel war, ein öffentliches Aquarium zu schaffen, das an international renommierte Vorbilder wie in London, Paris und Hamburg anknüpfte.
Eine Grottenlandschaft für exotische Tiere
Der hannoversche Architekt Wilhelm Lüer schuf das architektonische Konzept für das Aquarium. Das Besondere: Die Anlage war als Grottenlandschaft gestaltet, die Aquarien wurden in Naturgestein eingebettet. Dieser Ansatz diente nicht nur ästhetischen Zwecken, sondern sollte den Besuchern auch geologische Kenntnisse vermitteln. Die Grotte im Berliner Aquarium wurde dabei so berühmt, dass sie sogar in der humoristischen Zeitschrift „Kladderadatsch“ gewürdigt wurde.
Attraktionen und exotische Tierarten
Das Berliner Aquarium bot eine Vielfalt an Tieren, die zuvor in Deutschland noch nie ausgestellt wurden. Neben Fischen und Reptilien gab es Volieren mit Vögeln, die in einer beeindruckenden, achteckigen Glaskonstruktion untergebracht waren. Die berühmtesten Bewohner des Aquariums waren jedoch die Menschenaffen: Die Schimpansin „Molly“, der Orang-Utan und später auch Gorillas wie „M’Pungu“ zogen Scharen von Besuchern an. Die Menschenaffen waren nicht nur die ersten ihrer Art in Berlin, sondern auch die ersten in Europa.
Volksbildung und wissenschaftliche Bedeutung
Für Brehm stand die Volksbildung im Vordergrund. Er sah das Aquarium als einen Ort, an dem Menschen jeden Alters und Hintergrunds die Möglichkeit bekamen, mehr über die Natur und das Leben der Tiere im Wasser zu lernen. Um den Besuchern wissenschaftliche Informationen zu bieten, veröffentlichte er detaillierte Führer, die zu einer beliebten Literatur wurden. Im Laufe der Jahre wurden zahlreiche Auflagen gedruckt, die das Interesse der Bevölkerung am Berliner Aquarium zeigten.
Technische Innovationen und Herausforderungen
Die Instandhaltung des Aquariums stellte die Betreiber vor enorme Herausforderungen. Zu Beginn war die Produktion von künstlichem Seewasser ein Problem. Erst später gelang es dem Chemiker Emil Jacobson, eine Methode zu entwickeln, die Seetiere am Leben erhielt. Der technische Aufwand war enorm, und es gab mehrere Zisternen zur Wasserreinigung, bevor die Pumpentechnik entwickelt wurde. Mit der Einführung von elektrischer Beleuchtung konnte das Aquarium schließlich besser ausgeleuchtet und betrieben werden.
Das Ende eines Berliner Wahrzeichens
Nach über 40 Jahren Betrieb geriet das Aquarium ins Visier von Immobilienentwicklern. Die Baubank-Union erwarb die Aktienmehrheit und beschloss, das Grundstück für ein Bürogebäude zu nutzen. Im Oktober 1910 schloss das Aquarium für immer seine Türen. Die verbliebenen Tiere wurden an andere Zoos und Museen übergeben, während das Gebäude abgerissen wurde. Dennoch hinterließ das Aquarium Spuren: Basaltsäulen aus dem Aquarium fanden später Verwendung im Berliner Zoo, und einige Schilder gelangten nach Leipzig, wo sie heute noch als Dekoration bewundert werden können.
Vermächtnis des Berliner Aquariums
Das Berliner Aquarium Unter den Linden war eine Pionierinstitution in der Geschichte der deutschen Zoos und Aquarien. Durch seine Konkurrenz zwang es den Berliner Zoo, sich kontinuierlich weiterzuentwickeln und innovative Konzepte zu verwirklichen. Das Aquarium blieb über seine Schließung hinaus ein Symbol für Volksbildung und technische Innovation in Berlin. Heute erinnert es an die frühe Begeisterung für Naturkunde und die Errungenschaften von Persönlichkeiten wie Alfred Edmund Brehm und Otto Hermes, die ihre Vision eines naturwissenschaftlichen Erlebnisses für die Allgemeinheit in die Tat umsetzten.
Bild: Autor/-in unbekanntUnknown author, Public domain, via Wikimedia Commons