Interview mit Jürgen Zerbe zum Weltschlangentag

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Jürgen Zerbe ist Präsident des Wasserstern Augsburg 1904 e. V., eines Vereins für Aquarien- und Terrarienkunde und dem einschlägigen Naturschutz. Er ist Fachlehrer an einer Mittelschule und war ehemals als Fahrlehrer tätig. Anlässlich des Weltschlangentages gab uns Herr Zerbe ein Interview zum Thema Schlangenhaltung.

Halten Sie im Moment Schlangen?

Im Moment habe ich keine Schlangen. Ich pflege nun Feuersalamander und Taggeckos. Davor hatte ich aber über 35 Jahre lang Schlangen.

Wie kommt man zur Schlange als Haustier?

Das Interesse kam durch den direkten Kontakt zum Tier in der Natur. Ich bin am Lech aufgewachsen und hatte schon als Kind meinen ersten Kontakt mit einer Kreuzotter am Flussufer. Ich war fasziniert und wollte mich mit diesen Tieren beschäftigen. Obwohl meine Mutter dagegen war, konnte ich mit 10 Jahren meinen Vater überzeugen, mir die Haltung einer Ringelnatter im Terrarium in meinem Kinderzimmer zu erlauben. Mit 11 bin ich dann in den traditionsreichen Aquarien- und Terrarienverein „Wasserstern“ in Augsburg eingetreten.

Sie haben also mit einheimischen Schlangen angefangen.

Ja. Damals gab es noch kein sehr großes Angebot an Schlangen im Handel. Es wurden meist nur einheimische und europäische Arten angeboten. Über den Verein gab es aber die Möglichkeit auch exotische Schlangen aus Nachzuchten zu bekommen.

Was war ihre erste nicht einheimische Schlange?

Das war eine Pärchen Kornnatter, die ich von einem Terrarianer aus Nürnberg bekommen habe. Mit diesen Tieren hatte ich dann als Kind meinen ersten Nachzuchterfolg. Das war natürlich ein tolles Erlebnis.

Welche Arten von Schlangen haben sie gehalten?

In der Jugendzeit habe nordamerikanischen Nattern wie Kornnattern (Pantherophis guttatus) und Erdnattern (Pantherophis obsoletus) gehalten. Mit der Zeit kamen dann immer neue Arten dazu.

Hatten Sie auch Giftschlangen?

Ja. Mit 17 habe ich mir die ersten Giftschlangen – zwei Klapperschlangen zugelegt.

Warum haben Sie mit der Haltung von Giftschlangen angefangen?

Weil mich diese Tiere fasziniert haben. Nicht weil sie giftig sind. Ich war nie ein Draufgänger und musste mich nie beweisen. Tatsächlich habe nur selten erzählt, dass ich Giftschlangen halte, wenn ich irgendwo gewesen bin.

Es war damals so, dass viele der Erwachsenen im Verein auch Giftschlangen gehalten haben und die schönste der Schlangen war damals eine zitronengelbe Lanzenotter aus Costa Rica. Solche kräftigen Farben gab es bei den Nattern nicht, die ich bis dahin gehalten hatte. Diese Tiere fand ich besonders schön und habe die Art über 20 Jahre gehalten und viele Male nachgezogen.

Sie haben sich also nicht gezielt dafür entschieden sich giftige Schlangen zuzulegen, sondern waren von den Tieren an sich fasziniert.

Ja. Mein Grund Schlangen zu halten und nachzuziehen war immer das Interesse an der Biologie und dem Verhalten der Tiere. Es ist spannend das Verhalten und die Entwicklung der Tiere zu beobachten und zu sehen, wie sie schlüpfen, wachsen und sich dann zum Teil auch umfärben.

Sind sie einmal gebissen worden?

Ja, einmal. Damals war ich im Studium und war sehr mit dem Lernen beschäftigt. Ich war abgelenkt und habe beim Füttern nebenbei etwas anderes gemacht. Ich war unaufmerksam und es konnte eine Zwergklapperschlange aus der Futterbox entwischen. Die hat mich dann in den Zeh gebissen. Das musste ärztlich behandelt werden und ich hatte tagelang Schmerzen.

Sie haben inzwischen Kinder. Würden Sie sich jetzt noch einmal Giftschlangen anschaffen?

Nein, aus Verantwortungsbewusstsein nicht. Ich halte aber ein generelles Verbot der Haltung von Giftschlangen für absoluten Blödsinn. Es geht von den Tieren keine direkte Gefahr für Dritte aus. Von Beißunfällen sind nur die Halter betroffen oder Personen, die bei der Handhabung helfen. Unfälle mit anderen Personen gab es meines Wissens in Deutschland noch nie. Motorradfahren ist sehr viel gefährlicher für den Ausübenden und auch dritten gegenüber. Keiner würde auf die Idee kommen, es zu verbieten. Die zuständigen Behörden lassen sich da auch sehr schnell von dubiosen Tierschutzorganisationen in die Irre führen.


Heute haben Sie keine Schlangen mehr. Hat das mit dem Haltungsverbot für Gefahrentiere in Bayern zu tun?

Nein. Als damals die Haltung von Giftschlangen genehmigungspflichtig wurde, bin ich zum Amt gegangen und habe eine Genehmigung bekommen. Ich musste gewisse Auflagen erfüllen, aber das war kein Problem. Im Laufe der Zeit wurden die Richtlinien im strenger und es wurde später immer schwieriger die Haltungsgenehmigung zu bekommen. Irgendwann konnte ich meine Nachzuchten nicht mehr abgegeben, weil Interessenten mit Genehmigung fehlten und illegal wollte ich die Tiere nicht abgeben.

Wie alt werden Schlangen?

Das ist sehr unterschiedlich. Die meisten Arten werden zwischen 10 und 20 Jahre alt.

Die Tiere haben also eine recht hohe Lebenserwartung und Sie konnten Jungtiere von bestimmten Arten irgendwann nicht mehr abgeben. Was ist dann mit den Schlangen passiert? Haben Sie die Elternpaare wegegeben oder haben die bei Ihnen das „Gnadenbrot“ bekommen?

Das ist der Grund warum ich in meiner Hochzeit bis zu 120 Schlangen hatte. Tiere die gut züchten behält man als Terrarianer, weil durch den Verkauf der Jungtiere auch einen Teil der Kosten gedeckt werden. Aber ich habe die Zucht immer nur als Hobby betrieben und habe immer vier Mal mehr investiert, als ich durch den Verkauf der Tiere wieder reinbekommen habe. Solange die Tiere gut züchten, gibt man sie nicht ab und wenn sie dann zu alt dazu sind, um weiteren Nachwuchs zu bekommen, kann man sie auch Niemandem anderen mehr geben. Ich habe die Tiere behalten und weiter gepflegt.

Hatten sie einen engen persönlichen Bezug zu ihren Schlangen?
Nein. Ich habe nie zu einer Schlange eine emotionale Bindung gehabt, wie zum Beispiel zu meinen Hunden. Die Tiere bauen auch keinen Bezug zum Menschen auf. Das ist ganz anders als zum Beispiel bei Chamäleons. Die nehmen aktiv Kontakt mit dem Menschen auf und kommen beim Füttern auch auf den Arm. Schlangen sind desinteressiert am Menschen.

Was halten sie von Haltungsverboten für exotische Tiere?

Ich bin der Meinung, dass Tierhaltung allgemein und die Haltung von Reptilien reglementiert werden muss. Das jeder Tierhalter vor der Anschaffung eines Tieres sachkundig sein muss. Das gilt nicht nur für Schlangen, Schildkröten und Geckos, sondern auch für Hamster und andere Tiere. Die Unüberlegtheit, Verantwortlichkeit und Ignoranz gegenüber den Tieren sind schlimm. Manche kaufen sich ein Tier und denken sich, dass sie es ja wieder abgeben können, wenn es doch nicht das Richtige für sie ist. Dann nimmt aber der Händler die Tiere nicht zurück und es findet sich auch Niemand, der sie aufnehmen will. Solche Tiere landen dann im Tierheim oder in Auffangstationen oder werden einfach ausgesetzt. Allein bei uns im Verein werden jährlich bis zu 30 Reptilien abgegeben, weil die Halter nicht mehr wissen was sie mit ihnen machen sollen. Darunter sind Schlangen, Geckos, Schildkröten und Bartagamen.

Warum werden denn Tiere wie z. B. Bartagamen weggegeben?

Das ist schnell erzählt. Wenn sich jemand die Tiere zulegt, dann kauft er eine Gruppe von 5 bis 6 Jungtieren. Bei denen lässt sich aber das Geschlecht noch nicht bestimmen. Nach einigen Monaten beginnen die heranwachsenden Männchen dann mit Revierkämpen. Dann werden die unterlegenen Männchen abgegeben oder ausgesetzt.

Wie kann das passieren? Der Fachhandel ist doch seit Jahren verpflichtet die Käufer gut zu beraten.
In der Praxis sah das lange so aus, dass ein Interessent ins Geschäft kommt und sich z. B. Schmuckschildkröten anschaut. Die Tiere sind im Handel etwa so groß wie ein Fünfmarkstück und sehr günstig zu erwerben. Der Kunde fragt, was er braucht und der Händler erklärt, dass für die erste Zeit ein 80 cm Becken ausreicht. Wenn die Tiere größer werden, bräuchten sie dann aber ein größeres Terrarium.

Pro Tier muss ein Gehege aber mindestens 1 Quadratmeter Wasserfläche haben und dazu kommt dann noch ein Landteil. Es hat kaum jemand genug Platz, um ausgewachsenen Schmuckschildkröten dauerhaft zu halten. Das darf darum gar nicht sein, dass Schmuckschildkröten als Terrarientiere im Wohnbereich im Handel angeboten werden. Für Landschildkröten gilt dasselbe. Landschildkröten können nur im Garten gehalten werden.

Was muss ihrer Meinung nach passieren?

Die Menschen sind zu ignorant den Tieren oder der Natur gegenüber. Es muss sich mehr Verständnis entwickeln und die Tierhalter müssen sich informieren und vor der Anschaffung eines Tieres schulen lassen. Vereine, wie z. B. die DGHT oder Schlangen-Stammtische, die es vieler Orts gibt, können da einen enormen Beitrag leisten.

Vielen Dank für das Gespräch.

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